Geschlechtseintrag einfacher ändern

Bundeskabinett beschließt Selbstbestimmungsgesetz

Künftig sollen transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister und ihre Vornamen einfacher ändern können. Das sieht das Selbstbestimmungsgesetz vor, das das Kabinett am Mittwoch in Berlin auf den Weg brachte.

Zur Änderung des Geschlechtseintrags soll künftig eine "Erklärung mit Eigenversicherung" gegenüber dem Standesamt ausreichen. Sie soll drei Monate vor der Erklärung gegenüber dem Standesamt angemeldet werden. Die Entscheidung kann dann frühestens nach einem Jahr geändert werden.

Bei Minderjährigen bis 14 Jahren entscheiden die Sorgeberechtigten. Ab 14 Jahren können Minderjährige die Erklärung selbst abgeben, sofern eine Zustimmung der Sorgeberechtigten vorliegt. In Streitfällen muss ein Familiengericht im Sinne des "Kindeswohls" entscheiden. Die Reform betrifft nicht geschlechtsangleichende Operationen.

Das Offenbaren der früheren Namen oder Geschlechtszugehörigkeit ist laut Entwurf grundsätzlich verboten. Betroffene können Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend machen. Nennt jemand bewusst die frühere Identität und es tritt für den Betroffenen ein Schaden ein, wird ein Bußgeld fällig. Es gibt allerdings Ausnahmen, etwa wenn die Nennung aus rechtlichen Gründen erfolgt.

Nachgebessert wurde der Gesetzentwurf mit Blick auf das Hausrecht: Danach ist es weiterhin möglich, Personen, die ihren Geschlechtseintrag geändert haben, über das Hausrecht den Zutritt etwa zu Schutzräumen wie Frauenhäuser oder auch Saunen und Fitnessstudios zu verweigern. Zudem geht der Entwurf auf Bedenken des Bundesinnenministeriums ein und ermöglicht Sicherheitsbehörden, die Identität von Personen nachzuverfolgen.

Die Regelung soll das Transsexuellengesetz ablösen, das vor einer Änderung des Geschlechtseintrags zwei psychiatrische Gutachten vorsah. Das Bundesverfassungsgericht hatte Teile dieses Gesetzes als verfassungswidrig eingestuft.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte: "Das geltende Recht schikaniert transgeschlechtliche Menschen. Wir wollen diesen unwürdigen Zustand beenden und zeitgemäße Regeln für die Änderung des Geschlechtseintrags schaffen." Nach den Worten von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) verwirklicht die Regelung "das Recht jedes Menschen, in seiner Geschlechtsidentität geachtet und respektvoll behandelt zu werden". Es diene dem Schutz lang diskriminierter Minderheiten.

Die Antidiskriminierungsbeauftragte, Ferda Ataman, forderte hingegen eine weitergehende Regelung. Der Entwurf sehe sogar Verschlechterungen vor wie die Anmeldefrist oder Datenübermittlungspflichten an Sicherheitsbehörden.

Vertreter der Regierungskoalition begrüßten die Vorlage. Die Familienexpertin der Unions-Bundestagsfraktion, Silvia Breher (CDU), beklagte hingegen einen Eingriff in das Erziehungsrecht der Eltern. Der Entwurf ignoriere zudem Bedenken von Kinder- und Jugendpsychiatern und Medizinern zu voreiligen Entscheidungen in der Pubertät. Der CDU-Rechtspolitiker Günter Krings kritisierte die jährliche Wechselmöglichkeit ohne Beratungspflicht und ebenso fehlende Schutzvorkehrungen für Jugendliche.

Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) verlangte eine Evaluation der Regelung zu den Schutzräumen für Frauen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt warf der Regierung vor, Warnungen vor Missbrauch zu ignorieren. "Die Idee, sein Geschlecht jedes Jahr neu selbst bestimmen zu können, kann man nur als eine Geschichte aus dem Tollhaus bezeichnen", sagte er der "Augsburger Allgemeinen".

Das Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) sprach von einem „guten Tag für Selbstbestimmung und Menschenwürde“. ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp sagte, dass der „Einsatz für die verbesserte gesellschaftliche Teilhabe von trans* und inter* Menschen mit der Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes nicht enden“ dürfe. Nun müssten die Beratungsangebote besonders für Minderjährige ausgebaut werden. Auch die katholische Kirche müsse „den damit einhergehenden Paradigmenwechsel umsetzen.“

Die Vorsitzende des Deutschen Frauenrats, Beate von Miquel, kritisierte hingegen das späte Inkrafttreten Ende 2024 und "transfeindliche Narrative" im Kabinettsentwurf.

KNA

24.08.2023 - Geschlecht , Politik , Recht & Gesetz